13.05.2015 

Investitionen in CEE: Das Wachstum legt einen Gang zu  

Sechs wichtige Fakten zur Wachstumsprognose für die CEE-Region:

  • Investitionen verzeichneten 2014 einen Aufschwung und legen kontinuierlich zu
  • Hauptmotor sind Inlandsinvestitionen und EU-Transfers; ausländische Direktinvestitionen verlieren an Bedeutung
  • Eine Verdoppelung der Investitionsdynamik auf 10-15% würde das BIP-Wachstum auf Vorkrisenniveau von 3,7% steigen lassen
  • ...aber sie brauchen besseren Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten sowie Strukturreformen, um sich voll entfalten zu können
  • CEE-Länder haben die Chance, sich mit 40-60 Mrd. Euro einen der größten Brocken aus dem Investitionsprogramm von Juncker zu holen
 
Ist es mit dem Wachstum in Mittel- und Osteuropa vorbei? Angesichts rückläufiger ausländischer Direktinvestitionen der letzten Jahre könnte man das meinen. Dem ist aber nicht so. Die aktuelle Studie* der Erste Group zeigt, dass der Rückgang an Auslandsdirektinvestitionen zunehmend durch inländische Investitionen und EU-Transfers ausgeglichen wird. 2014 brachte einen positiven Wendepunkt im Investitionswachstum, welches in den kommenden Jahren deutlich zum Wirtschaftswachstum beitragen sollte.
 
 

Der prozyklische Aufschwung allein kann die CEE-Volkswirtschaften jedoch nicht auf ein Wachstumsniveau heben, das für einen beschleunigten Konvergenzprozess erforderlich wäre. Juraj Kotian, Leiter CEE Macro/Fixed Income Research bei der Erste Group: „Aktuell weisen die Investitionszuwächse in CEE eine Dynamik von rund 6% auf. Um auf das BIP-Wachstum von 3,7% zu kommen, das wir vor der Krise gesehen haben, wäre in den kommenden Jahren ein Investitionswachstum von 10-15% erforderlich.

Kotian weiter: "Wenn die positive Wirtschaftsdynamik in CEE von echten Strukturreformen begleitet wird, können Inlandsinvestitionen, ein florierender KMU-Sektor und EU-Mittel zu den zentralen Wachstumssäulen werden.“

Investitionen verzeichneten 2014 einen Aufschwung und legen kontinuierlich zu

Verbesserte Wirtschaftsstimmung und steigende Inlandsnachfrage haben zu einem Investitionswachstum in fast allen CEE-Ländern beigetragen. In Polen und Ungarn liegt das Investitionsvolumen bereits über jenem von 2008. Die polnische Wirtschaft wurde durch öffentliche Investitionen angekurbelt, während andere Länder noch mit Budgetkonsolidierung beschäftigt waren. In Tschechien und der Slowakei sollten die Investitionen 2015/16 auf ein Volumen über dem Vorkrisenniveau ansteigen. Kroatien, Slowenien und Rumänien hingegen werden einen stärkeren Wirtschaftsaufschwung brauchen, um wieder auf Vorkrisenniveau zu kommen.

Hauptmotor sind Inlandsinvestitionen und EU-Transfers; ausländische Direktinvestitionen verlieren an Bedeutung

Der Zufluss von Auslandskapital war in der Vergangenheit großteils durch Privatisierungen getrieben. Da diese in vielen Ländern so gut wie abgeschlossen sind, erwarten die Analysten eine Abnahme der Kapitalzuflüsse. Nur in Kroatien, Serbien und Slowenien sind noch einige Privatisierungen in Vorbereitung, was ein gewisses Potenzial birgt. Die CEE-Länder können nach wie vor von dieser Kapitalakkumulation profitieren, wobei die Bedeutung lokaler Investoren für die Entwicklung der Investitionen zunimmt. Nach Meinung der Erste-Group-Analysten werden die Zuflüsse ausländischen Kapitals in den nächsten Jahren somit eine vergleichsweise geringere Rolle bei der Finanzierung von Investitionen spielen.

KMUs in CEE tragen gleich viel zur Wirtschaftsentwicklung bei, wie in Deutschland und Österreich…

Mit der zunehmenden Bedeutung der Inlandsinvestitionen gewinnt die Entwicklung des lokalen Privatsektors –insbesondere der Klein- und Mittelbetriebe – für die Beschäftigung und das Produktivitätswachstum an Relevanz. In CEE entfallen bis zu zwei Drittel der Wertschöpfung und bis zu drei Viertel der Beschäftigung auf KMUs mit maximal 250 Angestellten. KMUs in CEE sind ähnlich arbeitsintensiv und tragen ähnlich viel Wertschöpfung bei wie in Deutschland oder Österreich. Die in CEE vorherrschenden Kleinstunternehmen mit bis zu neun Beschäftigten sind allerdings weniger effizient als die „größeren“ KMUs.

...aber sie brauchen besseren Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten und Strukturreformen im wirtschaftlichen Umfeld, um sich optimal entfalten zu können

Entscheidend für eine Stärkung des KMU-Sektors sind strukturelle Verbesserungen im wirtschaftlichen Umfeld, wie Abbau von Restriktionen, transparentere rechtliche Rahmenbedingungen, Vereinfachung von Verwaltungsverfahren und Bildungsmaßnahmen zur besseren Qualifizierung der Arbeitskräfte. "Das ist besonders für KMUs von Bedeutung, die weniger prozyklisch investieren als Großunternehmen. Um das Wachstum in CEE anzukurbeln, sollten sich die Länder verstärkt der Lösung struktureller Probleme widmen, während Kleinunternehmen an ihrer eigenen Effizienz arbeiten müssen, um einen besseren Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten zu bekommen", führt Kotian aus.

CEE-Länder haben die Chance, sich mit 40-60 Mrd. Euro einen der größten Brocken aus dem Investitionsprogramm von Juncker zu holen

Ein zusätzliches Mittel zur Belebung der Investitionen ist die von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker präsentierte Investitionsoffensive für Europa. Mit dem Investitionspaket soll ein Volumen von EUR 315 Mrd. mobilisiert werden. Das Ziel des Juncker-Programms ist die Förderung von Projekten, die die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft stärken. Die CEE-Länder haben Projekte mit einem Gesamtvolumen von EUR 282 Mrd. bei der Europäischen Kommission und der Europäischen Investitionsbank eingereicht, auf dessen Basis der Investitionsausschuss seine Auswahl treffen wird. Kotian erklärt: "Da viele eingereichte Vorhaben in den Prioritätsbereichen Energie-Infrastruktur und digitale Wirtschaft angesiedelt und für den Zeitraum 2015-17 bereits weitgehend vorbereitet sind, haben CEE-Länder gute Chancen, sich rund 40-60 Milliarden bzw. bis zu ein Fünftel des ganzen Investitionspakets zu holen." Das würde einem Volumen von EUR 3-4 Mrd. an verlustabsorbierenden Mitteln aus dem Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) entsprechen. Der Rest würde durch strategische und private Investoren finanziert werden. Dabei könnten viele Regierungen die Rolle eines strategischen Investors übernehmen; einige haben bereits die Bereitschaft bekundet, zusätzlich zu den EFSI-Mitteln Gelder bereitzustellen.

Darüber hinaus haben CEE-Länder Zugang zu EUR 185 Mrd. aus dem EU-Struktur- und Investitionsfonds für den Zeitraum 2014-2020. „Insgesamt sollte es also ausreichend Mittel für wachstumsfördernde Investitionen geben“, meint Kotian abschließend.

*Die Studie der Erste Group "Investitionen im CEE-Raum: Wachstum kommt in die Gänge" behandelt folgende Länder: Tschechien, Slowakei, Rumänien, Ungarn, Kroatien, Polen und Slowenien.

Juraj Kotian in einem Interview mit dem slowakischen Wirtschaftsmagazin Trend:

„Investitionen in der Slowakei sollten dieses oder nächstes Jahr das Vorkrisenniveau erreichen. Um zum Wirtschaftswachstum der Vorkrisenjahre zurückzukehren, braucht die Slowakei ein Investitionswachstum von durchschnittlich 10%, was das Doppelte des derzeitigen Investitionswachstums ist. Investitionen in anderen CEE-Ländern müssten gar um 15% wachsen. Die Slowakei profitiert von einem höheren technologischen Level sowie einer steigenden Anzahl an Menschen im erwerbsfähigen Alter. Für weiteres Investitionswachstum braucht es die Einbeziehung des Privatsektors, insbesondere der Klein- und Mittelbetriebe.“